Es leuchtet sicher jedem Ingenieur schnell ein, warum es wichtig ist, eine Sicherheitskupplung im Antriebsstrang von Maschinen und Anlagen einzubauen, doch sieht die Realität manchmal nicht danach aus. Welche Nachteile die Alternativen mit sich bringen, warum sich der Einsatz einer Sicherheitskupplung lohnt, was bei der Auswahl zu beachten ist und welche Kupplungen die einzelnen Überlasten abfangen, wissen die Experten von mayr® Antriebstechnik.
Damit moderne Maschinen die heute geforderten hohen Geschwindigkeiten und Genauigkeiten bereitstellen können, müssen die Konstruktionen eine gewisse Steifigkeit aufweisen. Kommt es zu Fehlern in Programmierung oder Bedienung sowie zu äußeren Einwirkungen durch Fremdkörper, kann ein Überlastfall im Antriebsstrang entstehen. Solch ein Störfall führt gegebenenfalls zu harten Kollisionen. Die dabei einsetzenden zu hohen Drehmomente können die Bauteile beschädigen oder gar zerstören. Um einen Überlastfall abzufedern, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Am besten verhindern lassen sich teure Folgeschäden mit einer blitzschnell trennenden, mechanischen Sicherheitskupplung, auch Überlastkupplung oder Drehmomentbegrenzer genannt. Sie sorgt durch die exakte Begrenzung vom Drehmoment dafür, dass die Bauteile nicht über ihre zulässigen Werte belastet werden.
Akzeptanz von Sicherheitskupplungen
„Der Produktionsleiter wird immer ein Interesse daran haben, einen etwaigen Maschinenstillstand so kurz wie möglich bei geringstmöglichem Schaden zu halten“, weiß Ralf Epple. „Die Entscheidung, ob eine Sicherheitskupplung eingebaut wird, liegt aber beim Maschinenhersteller. Bestenfalls möchte der Maschinenbauer hochverfügbare Maschinen ausliefern, deren Antriebsstrang von vornherein mit einer Sicherheitskupplung abgesichert ist und bei dem das Ersatzteilgeschäft nicht im Fokus steht. Oder der Endabnehmer besteht darauf, dass die Konstruktion durch eine Sicherheitskupplung abgesichert ist. Trifft beides nicht zu, kommen mit Nachteilen behaftete Alternativen zur Anwendung.
Alternativen und ihre Nachteile
Mit den elektronischen Überwachungsfunktionen einer Maschinensteuerung wie der Messung des Motorstroms lässt sich der Arbeitsprozess permanent überwachen. Das ist ein geringer zusätzlicher Aufwand, weil der Motorstrom als Regelgröße sowieso erfasst wird. Eine Kollision passiert aber in vielen Fällen nicht vorausschauend, sondern meist unerwartet. Daher ist auch die Sicherung über elektronische Regelkreise insbesondere bei Kollisionen mit hoher Geschwindigkeit zu langsam, um rechtzeitig Gegenmaßnahmen einleiten zu können.
Erst wenn die Kollision stattgefunden hat, startet der Regelungsprozess, welcher die Anlage letztlich abschaltet. Hier ist die Überlastkupplung, die sich direkt im Antriebsstrang befindet, wesentlich schneller. Auch erfasst sie permanent das aktuelle Drehmoment und reagiert innerhalb weniger Millisekunden. Dann reagiert sie nicht nur mit dem Abschalten, sondern öffnet gleichzeitig den Antriebsstrang. So entkoppelt die Überlastkupplung die nachlaufenden Massen, was den Schaden begrenzt. In der Praxis sollte eine Motorstromregelung nur bei Anwendungen mit wenig Dynamik und weicher Kollision als Alternative zur Sicherheitskupplung eingesetzt werden. Eine weitere Alternative zur Vorbeugung von Kollisionen bietet das softwarebasierte System, indem es unzulässige Annäherungen von Maschinenkomponenten im Arbeitsraum erfasst. Das kann es aber nur relativ grob und es erfordert eine hohe Rechnerperformance. Fehlerbehaftete Werkzeuge oder Werkstücke werden gar nicht erfasst.
Funktion und Arten von Sicherheitskupplungen
Die Sicherheitskupplung überträgt Drehmomente zuverlässig und begrenzt das auf einen definierten Wert. Indem sie in Sekundenbruchteilen beide Seiten des Antriebsstrangs trennt, erhöht sie die Anlagenverfügbarkeit, senkt die Betriebskosten und minimiert den Reparaturaufwand deutlich. Kurz: Die Sicherheitskupplung optimiert die Total Cost of Ownership (TCO). Was die Investitionskosten anbelangt, sind diese oftmals sogar geringer als nur ein einziger Überlastschaden. Es gibt lasthaltende und lasttrennende Sicherheitskupplungen. Lasthaltende Kupplungen begrenzen das Drehmoment auf den vorgegebenen Wert und unterbrechen bei Überlast die Drehmomentübertragung nicht. Dies ist vor allem bei vertikal oder schräg bewegten Massen wichtig, die nicht unkontrolliert abstürzen dürfen. Zu den lasthaltenden Kupplungen zählen Reibungskupplungen, magnetische Dauerschlupfkupplungen und gesperrte Kupplungen.
Lasttrennende Kupplungen übertragen das Drehmoment formschlüssig. Sie trennen bei Überlast An- und Abtrieb, unterbrechen also die Drehmoment- oder Kraftübertragung. Lasttrennende Kupplungen werden unterteilt in rastende, freischaltende sowie schalt- und regelbare Kupplungen. Mayr® Antriebstechnik bietet jede genannte Ausführung für alle denkbaren Anwendungen, darunter auch die EAS, auf die wir nachfolgend genauer eingehen werden.
Elektrisch abschaltbare Sicherheitskupplung
„Mit der Einführung der elektrisch abschaltbaren Sicherheitskupplung vor mehr als einem halben Jahrhundert haben wir bei mayr® die Industrie 4.0 bereits eingeführt, noch bevor der Begriff überhaupt definiert wurde“, schmunzelt Herr Epple. Das EAS Portfolio umfasst eine lasthaltende Ausführung und mehrere lasttrennende Versionen. Mit seinem großen Standardportfolio deckt der Antriebsspezialist sehr viele Anwendungen ab. Dazu verbessert man in Mauerstetten den Standard permanent vor dem Hintergrund der aktuellen Trends. Es werden also ständig Anpassungen hinsichtlich Drehzahl und Dynamik vorgenommen. Aus den derzeit 15 Baureihen sind drei Überlast-Ausführungen besonders hervorzuheben:
Mit der neuen Standardbaureihe EAS-compact F hat mayr® eine neue Freischaltkupplung für Drehmomente bis 3.000 Nm im Programm. Die lasttrennende Kupplung überträgt das Drehmoment formschlüssig und liefert ein Signal über den Zustand des Antriebsstrangs. Wird die Kupplung bei Überlast einmal getrennt, ist sie nach Beseitigung der Störung sofort wieder einsatzbereit. Die EAS-compact F verfügt über abgedichtete Funktionsteile: O-Ringe verhindern auch bei hohen Drehzahlen zuverlässig, dass Schmiermittel aus der Kupplung geschleudert wird. In der verbesserten Einstellmutter mit ihrem symmetrischen Aufbau sind zudem die Skalierung einfacher ablesbar und die Wuchtgüte höher. Die kostengünstige Sicherheitskupplung ist für Drehzahlen im Bereich 12.000 min-1 ausgelegt. Für Anwendungen unter Hochgeschwindigkeit wurde die EAS-HSE Highspeed-Elementekupplung konzipiert. Im Drehmomentbereich 32,5 Nm bis 15.000 Nm beherrscht sie Drehzahlen von 25.000 min-1 mit den kleinen und 8.000 min-1 mit den großen Baugrößen. Für die kompakten Kupplungen gibt es jetzt neue gewichtsoptimierte Lösungen.
Hier konnte zum Beispiel eine Kupplung mit einem Außendurchmesser von 90 mm und einem Gewicht von unter 3 kg realisiert werden. Diese Leistungsdichte basiert auf dem kompakten Design mit kleinem Außendurchmesser bei verhältnismäßig großem Bohrungsdurchmesser. Zusammen mit den integrierten, symmetrisch angeordneten Elementen, über welche die Drehmomentübertragung erfolgt, funktioniert die schwingungsarme Sicherheitskupplung im Auslösefall präzise. Auch die neue Baureihe der EAS-HT High-torque-Elementekupplung mit bis 440.000 Nm Drehmoment im Standard, und deutlich mehr in der Sonderausführung, überzeugt nicht nur durch eine verbesserte Leistungsdichte, sondern sie bietet zudem eine deutlich breitere Auswahl an möglichen Bohrungen. Bei dieser Kupplung ist das Drehmoment werkseitig eingestellt und nach dem Ausrasten sofort wieder verfügbar. Die nachfolgende Anwendung verdeutlicht das Potential der EAS-HT:
Überlastschutz bei Arcelor Mittal
In seinen Walzgerüsten schützt Arcelor Mittal Ostrava (AMO) die Komponenten des Antriebsstrangs mit der EAS-HT Sicherheitskupplung von mayr® Antriebstechnik dauerhaft und zuverlässig vor teuren Überlastschäden. Die Überlastkupplungen sitzen zwischen Motor und Getriebe. Sie begrenzen das Drehmoment exakt auf den eingestellten Wert von 170.000 Nm bei max. Drehzahl von 400 min-1. Die EAS-HT ersetzen hier 1:1 hinsichtlich Bauraums die zuvor eingesetzten Brechbolzenkupplungen. Sie arbeiten nicht nur sehr viel genauer, sondern sind nach Beseitigung der Ursache für die Überlast sofort wieder einsatzbereit. Früher mussten die zerstörten Brechbolzen erst wieder ausgetauscht werden. Zudem war das Auslösemoment der Brechbolzenkupplung mit relativ großen Toleranzen behaftet. Mit der Zeit verlieren sie an übertragbarem Drehmoment, weil die Brechbolzen ermüden und oftmals zu früh trennen. Nach dem Austausch der Brechbolzenkupplung durch die EAS-HT konnten die Stillstandszeiten um 80 Prozent reduziert werden.
Schutz und Indikator in einem
Wie viele andere Komponenten rüstet sich auch die Sicherheitskupplung von mayr® für den Einzug der Industrie 4.0. Im modernen Antriebsstrang ist die Kombination einer Überlastkupplung mit einem Messsystem sinnvoll. Kein elektronisches System trennt so schnell wie die Überlastkupplung. Kombiniert mit einem Messsystem lassen sich zudem mittels der Messergebnisse in Echtzeit auch die Belastungsgrenzen verschieben und die Anlage wird viel besser ausgelastet. mayr® bietet hierfür die intelligente Wellenkupplung ROBA-DSM an, die mit einer Überlastkupplung kombinierbar ist.
Hier sieht der Antriebsspezialist noch Potential für die Zukunft und untersucht, was sich aus Messwerten wie Drehmoment, Drehzahl, Temperatur etc. noch alles aus dem Maschinenzustand herauslesen lässt und wie sich solche Daten z. B. für Predictive Maintenance nutzen lassen. Denkbar sind Szenarien wie z. B. eine Wartung oder den Austausch von Komponenten zu planen, sobald die Kupplung x-Mal ausgerastet ist. Das Ganze müsse aber auch in den Kontext mit den damit verbundenen Kosten gesetzt werden. Der Trend gehe dahin, die Kupplung nicht nur als Schutz, sondern auch als Indikator einzusetzen und mit ihm die TCO Kosten weiter zu reduzieren.
Konfigurator mit und ohne Beratung
„Es gibt nicht die eine Überlastkupplung für alle Einsatzfälle. Damit eine Sicherheitskupplung zuverlässig funktioniert, muss sie auf die jeweilige Anwendung angepasst sein“, empfiehlt der Produktmanager. Für einfachere Anwendungen und zur Vorauswahl speziellerer Einsatzfälle bietet mayr® einen Konfigurator. Anhand der technischen Daten wie Antriebsart, Drehmoment, Drehzahl, Übertragungsverhalten etc. wählt der Konstrukteur die für seine Anwendung passende Kupplung aus.
Er kann hier relativ einfach seinen Platzbedarf detektieren. Denn die Abmessungen der einzelnen Kupplungstypen sind gleich, egal ob es sich um eine durchrastende, synchrone oder freischaltende Kupplung handelt. Hat der Anwender eine Kupplung ausgewählt, kann er sich die Auswahl aber noch durch die Spezialisten von mayr® bestätigen lassen bzw. zusammen mit ihnen die Feinabstimmung vornehmen. In der Vergangenheit war die Auswahl an Überlastkupplungen mit 80 Prozent sehr beratungsintensiv. Denn so eine Kupplung muss auch, wenn erst nach sehr langer Zeit einmal ein Fehler passiert, noch zuverlässig funktionieren.
Web-Seminare helfen bei Entscheidungsfindung
Bei der Entscheidung helfen können auch die Web-Seminare, welche mayr® praxisnah anbietet. Neben den angebotenen Grundlagenseminaren zu Sicherheitskupplungs- und Sicherheitsbremstechnik werden Fach- und Führungskräfte, Konstrukteure, Entwickler und Sicherheitsbeauftragte auf Expertenniveau dazu qualifiziert, die jeweiligen Sicherheitskomponenten unter Berücksichtigung aller physikalischen Gegebenheiten und Einflussfaktoren so auszuwählen und zu dimensionieren, dass sie Personen- und Sachschäden ausschließen können. Ist die Applikation anspruchsvoller, sollte grundsätzlich immer auch eine Beratung mit hinzugezogen werden. Bei sehr speziellen Anwendungen bietet mayr® natürlich auch kundenspezifische Entwicklungen an. Hier empfiehlt es sich, den Antriebsspezialisten so früh wie möglich mit ins Boot zu holen.
Autorin
Angela Struck ist freie Journalistin und Geschäftsführerin der Presse Service Büro GbR in Ried.
Quelle: MM Maschinenmarkt 5-2021 Seite 48-51